Warum werden in Anbetracht der Vielzahl von Rebsorten neue Sorten gezüchtet? Welchen Anforderungen sollten Neuzüchtungen genügen? Diese und weitere Fragen der Weinfreunde wurden an der Veranstaltung vom 14. November 2014 durch einen Fachmann beantwortet. Neben Versuchsweinen konnten auch heute etablierte Weine aus neu gezüchteten Sorten degustiert werden.

Mit Daniel Pulver, Mikrobiologe bei Agroscope Changins/Wädenswil, hat ein ausgewiesener Fachmann den Weinfreunden das nicht alltägliche Thema Neuzüchtungen nähergebracht. Ziele der Entwicklung neuer Sorten sind vor allem Resistenzen gegen Krankheiten wie zum Beispiel Rebenmehltau und Botrytis (Grauschimmel), geringe Anfälligkeit für physiologische Störungen wie Stiellähme und die neuen Sorten sollten selbstverständlich auch Eigenständigkeit aufweisen und die Produktion qualitativ guter Weine ermöglichen. Anlass für die notwendige Züchtung neuer Sorten sind die immer strengeren Vorschriften beim Einsatz von Pestiziden. Da solche zunehmend nur noch beschränkt eingesetzt werden dürfen, ist der Winzer vor allem auf Pilz widerstandsfähige (kurz: PIWI) Rebsorten angewiesen. Selbstverständlich spielen auch die klimatischen Veränderungen eine Rolle – neu gezüchtete Sorten sollen später reifen. Die Notwendigkeit einer umweltgerechten Produktion im Rebbau ist heute weitgehend anerkannt. Diese soll Boden, Wasser und Luft schonen und wenn immer möglich mit einem Verzicht auf Kunstdünger und Pestiziden verbunden sein.                                                                                                                
Eine Neuzüchtung beginnt mit der Kreuzung zweier Reben, was eine neue Sorte ergibt, welche vorerst nur eine Zuchtnummer und noch keinen Namen hat. Daniel Pulver gab einen guten Überblick über die langwierigen Verfahrens- und Versuchsstufen vom ersten Sämling über Resistenztests und Selektion bis zur Namensgebung und dem Verkauf einer neuen Sorte, soweit deren Etablierung auf dem Markt überhaupt gelingt. Der gesamte Prozess nimmt einen Zeitraum von rund 30 Jahren in Anspruch. Die degustierten Versuchsweine lösten bei den Weinfreunden unterschiedliche Reaktionen aus. So wurde der IRAC 2060 (Bronner x Gamaret) mit rund 600 gepflanzten Rebstöcken in Stäfa ZH als eher dünn und etwas verhalten empfunden. Der ebenfalls von Agroscope gezüchtete MRAC 1099 (Merlot x Gamaret) wies dagegen eine kräftige und reife Aromatik auf, auch der MRAC 1817 (Nebbiolo x Gamaret) zeigte sich recht weit entwickelt. Dass Gamaret in der laufenden Forschung als Kreuzungspartner dient, ist kein Zufall – die erfolgreiche Schweizer Neuzüchtung ist gegen Krankheiten hochresistent und vermochte sich auch im benachbarten Ausland durchzusetzen.

Als weitere, auf dem Markt etablierte neue Rebsorte wurde der Solaris (Kreuzung im Jahr 1975, Sortenschutz seit 2001) vorgestellt. Aufgrund der frühen Reife und damit der Anfälligkeit gegen Spätfrost und Wespen ist diese Sorte eher für Höhenlagen ab rund 600 m geeignet. Als gute Begleiter des Abendessens im Hotel Krone in Thun erwiesen sich der Cabernet Dorsa (Blaufränkisch x Dornfelder) und der Mara (Gamay x Reichensteiner, Selektion von Klonen) als neuste Sorte, die einen Namen erhalten hat. Daniel Pulver ist es gelungen, die Weinfreunde auf verständliche Weise mit den Neuzüchtungen vertraut zu machen – ein Thema das uns in Anbetracht klimatischer Veränderungen und des Gebots einer naturschonenden Produktion wohl noch vermehrt beschäftigen wird.

                                                                                                                               
                                                                                                                Cabernet Dorsa und Mara,  zwei etablierte Neuzüchtungen